Oxenfree II: Lost Signals - Test / Review

Mystery-Adventure mit Trash und Tiefgang

Test Video Benjamin Braun getestet auf PlayStation 5

Vor gut sieben Jahren schickte der Indie-Entwickler Night School Studio mit "Oxenfree" ein in vielerlei Hinsicht aussergewöhnliches Adventure an den Start und liess 2019 mit "Afterparty" ein weiteres folgen. Nun setzt das US-Unternehmen sein Debütwerk mit der Unterstützung von Netflix fort. Was "Oxenfree II: Lost Signals" anders, besser oder schlechter macht, erfahrt ihr in unserem Spoiler-freien Testbericht.

Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der sich nicht schon mal gefragt hat, was in seinem Leben schiefgelaufen ist und wo er vielleicht eine falsche Abzweigung gewählt hat. Für Riley, die Hauptfigur aus "Oxenfree II: Lost Signals", drängen sich Fragen danach regelrecht auf. Denn die (vermutlich) Mitte/Ende ihrer 30er angelangte Heldin hat offenbar nie einen echten Beruf gelernt, wechselte ihr bisheriges Leben lang alle paar Wochen den Job und muss sich nun quasi als Hilfsarbeiterin ihren Lebensunterhalt verdienen. Dieser regelrecht desillusionierende Lebensweg führt Riley viele Jahre, nachdem sie ihren Geburtsort verlassen hat, auf die Insel Camena zurück, auf der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf rätselhafte Weise verschwimmen. Zudem werdet ihr mit der mysteriösen Okkultistentruppe Parentage konfrontiert.

Individuelle Charakterzeichnung, wegweisende Entscheidungen

Die Biografie von Riley, die ihr ausnahmslos im rund fünf Stunden kurzen Abenteuer über die Insel steuert, hat stets einen festen Kern. Sie fristet ein tristes Dasein und ist ständig mit der Frage beschäftigt, was in ihrem Leben alles schiefgelaufen ist - vermittelt nach aussen aber gern den Eindruck, dass sie glücklich sei. Abseits dessen ist ihr Lebenslauf jedoch nicht festgeschrieben. Ihr nehmt im Rahmen unzähliger Multiple-Choice-Dialoge vor allem mit Hauptbegleiter Jacob Summers aber Einfluss darauf. So legt ihr etwa fest, was der Hauptgrund für die Rückkehr nach Camena ist und ob ihr Jacob, der mit euch einst die Schulbank drückte, als ehemaligen Klassenkameraden wiedererkennt. Auch das in der Story bedeutende Verhältnis zu Rileys alleinerziehenden Vater, dem ihr in visionsartigen Rückblenden begegnet, bestimmt (in gewissem Rahmen) ihr.

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Oxenfree II: Lost Signals

"Entscheidungen" wie diese können für eine engere Bindung an Riley sorgen, da ihr sie damit zumindest teilweise stärker zu einem Spiegelbild euer selbst macht. Optimal funktioniert das aber nicht, da euer Freiraum natürlich begrenzt ist. Ausserdem wirkt es künstlich, wenn Riley genauso gut die Mutter, die die Familie früh verliess, abgrundtief hassen kann oder eine gewisse Sehnsucht nach ihr verspürt. Darüber hinaus ist bei der Dialogauswahl nicht immer klar, in welche Richtung es genau geht. So fragt der schüchterne Jacob, dessen einziger Freund offenbar seine Hündin Athena ist, später irgendwann, ob Riley seine (platonische) Freundin sein möchte. Wir haben tatsächlich zugestimmt, allerdings klingt sein Herumgeeiere bei der Frage eher danach, als ob er sich in Riley verliebt hat. Aber gut, vermutlich sind derartige Ungenauigkeiten auch gewollt, damit die Spieler ausprobieren, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben.

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Oxenfree II: Lost Signals

Letztere gehen indes nicht so weit, wie man sich das in einem so kurzen, Story-lastigen Spiel wünschen würde. Die Tragweite ist sogar eher geringer als in den Adventures von Telltale Games, von denen wie gehabt grosse Teile der Belegschaft von Night School Studio stammen. Es gibt zwar etliche Details, die sich auswirken, einen gravierenden Einfluss auf Verlauf und Ausgang der Handlung haben aber nur wenige Entscheidungen. Eine etwa garantiert das Überleben von einem der vielen (meist optionalen) Funkkontakte per Walkie-Talkie, was allerdings stark an Wirkung verliert, da man die betreffende Person nie zu Gesicht bekommt. Erwartet also vom Entscheidungssystem nicht zu viel und eher weniger als im Vorgänger. Wir sehen von ein paar wenigen Entscheidungen vor Schluss kaum welche, für die sich ein erneuter Durchgang lohnen würde. Und ja, ein vollständiger Durchgang ist dafür notwendig, denn so etwas wie eine "Kapitelwahl" wie in "Detroit: Become Human" oder wenigstens manuelle Savegames gibt es in "Oxenfree II" leider nicht.

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