SIEA zum neuen Bundesgesetz JSFVG

Das neue Bundesgesetz über Jugendschutz bei Filmen und Videospielen unter der Lupe

News Roger

Das neue "Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele", das sich derzeit in der Vernehmlassung befindet, geht in die richtige Richtung. Damit es sein Ziel erreicht, bedarf es aber noch einiger Anpassungen. Zu diesem Schluss gelangten Expertinnen und Experten aus verschiedensten Bereichen anlässlich einer Tagung der Swiss Interactive Entertainment Association am 6. Juni 2019 in Bern.

Das neue "Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele" befindet sich bis am 24. Juni 2019 in der Vernehmlassung. Im Sommer 2020 wird der Bundesrat voraussichtlich das neue Bundesgesetz verabschieden. Läuft alles rund, wird es per 1. Januar 2022 in Kraft treten. Dies führte Ludwig Gärtner, Vizedirektor des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV, anlässlich der Tagung der SIEA aus.

Ziele des JSFVG

Das Gesetz will einen wirksamen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor beeinträchtigenden Inhalten beim Konsum von Filmen-, Online- und Videospielen sicherstellen, eine einheitliche Praxis in der ganzen Schweiz gewährleisten und eine kohärente Alterseinstufung für dieselben Inhalte unterschiedlicher Trägermedien etablieren. Bei der Erarbeitung des Gesetzes wurde eine Begleitgruppe eingesetzt, in der die betroffenen Bundesstellen, Branchenvertreter, Vertretern der Kantone und sowie Vertreter der Konsumentinnen und Konsumenten mitwirkten. Angestrebt wird eine Ko-Regulierung durch den Staat auf der einen Seite und die Branchenverbände auf der anderen Seite. Diese Ko-Regulierung wird in der Schweiz derzeit noch wenig angewendet, hat sich im Ausland aber verschiedentlich sehr bewährt.

Ja, aber... die Haltung der SIEA

Peter Züger, Präsident der SIEA, betonte an der Tagung, dass das neue Gesetz in die richtige Richtung ziele, jedoch einige gewichtige "Aber" aus Sicht der SIEA noch gelöst werden müssen. Ja, sagt die SIEA, weil das neue Gesetz wichtige Rahmenbedingungen für einen wirksamen Jugendschutz gesamtschweizerisch definiert. Die SIEA aber sieht in namentlich drei Bereichen Handlungsbedarf:

  • Einfach nachvollziehbares System für Eltern: Ein Kern des Gesetzes ist die verbindliche Durchsetzung des pan-europäischen Bewertungssystems für Alterseinstufung von Online- und Videospielen PEGI. Alle in der SIEA vereinigten Unternehmen haben sich verpflichtet, ihre Spiele sowohl in der Bewerbung wie auch im Verkauf mit der PEGI-Kennzeichnung zu versehen. Damit das Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann, muss es sicherstellen, dass Spiele mit der Einstufung PEGI 18 beim Kauf und bei Veranstaltungen gleichbehandelt werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält diesbezüglich noch zu komplizierte und deshalb in der Praxis untaugliche Massnahmen.

  • Effiziente Organisation der Durchsetzung des Gesetzes: Das Gesetz setzt richtigerweise auf die Co-Regulierung durch den Staat und die Branchenorganisationen. Dieser Grundsatz muss bei der Organisation für die Durchsetzung konsequent angewendet werden. So soll die Koordination der Testkäufe durch die Branche oder einen Ausschuss erfolgen.

  • Klare und griffige Durchsetzung: Das Gesetz muss so ausgestaltet sein, dass es nicht nur auf nationale, sondern insbesondere auch auf internationale Anbieter durchgreifen kann. Es muss für Mitglieder und Nicht-Mitglieder der Branchenverbände gleichermassen verbindlich sein. Und es braucht klare Sanktionen, die zwischen der Branche, den Kantonen und dem Bund abgestimmt sind.

PEGI funktioniert und ist glaubwürdig

Eine grosse Stärke des neuen Gesetzes liegt gemäss Jürgen Bänsch, Direktor der International Software Federation Europe ISFE, darin, dass es auf das international breit abgestützte System PEGI für die Durchsetzung eines wirksamen Jugendschutzes setzt. PEGI unterscheidet in die Altersklassen 3, 7, 12, 16 und 18. Es führt zu einer objektiven, verständlichen und zuverlässigen Einstufung. Zudem gewährleistet es verantwortungsvolle Werbung und bietet Gewähr für eine sichere online Spielumgebung. PEGI wird in 38 Ländern mit 24 Sprachen und über 30 Kulturen erfolgreich angewendet und von den europäischen Institutionen unterstützt.

Pro Juventute fordert stärkeren Fokus auf die Prävention

Auch die Pro Juventute sieht beim vorliegenden Gesetzesentwurf verschiedene Stärken. So begrüsst die Pro Juventute gemäss Simone Brunner, Abteilungsleiterin Bildung & Information, namentlich, dass der Schutz von Minderjährigen gesetzlich verankert wird, die Jugendschutzbestimmungen auf nationaler Ebene vereinheitlicht werden und das Gesetz auf Co-Regulierung setzt. Auch begrüsst die Pro Juventute, dass ein Altersklassifizierungsgesetz mit mindestens fünf Altersstufen vorgeschrieben wird und alle Altersstufen der Kontrolle unterliegen.

Doch auch die Pro Juventute sieht noch verschiedene "Abers". So fordert die Stiftung, dass der Prävention und der Förderung von Medienkompetenz mehr Beachtung geschenkt wird. Auch vermisst sie den Einbezug der Jugendschutzorganisationen bei der Erarbeitung des Gesetzes und vermutet, dass das Potenzial der Anlaufstellen, beispielsweise für Beanstandungen, nicht ausgeschöpft werde. Wie die SIEA zweifelt die Pro Juventute zudem bei einigen Punkten, namentlich im Bereich der internationalen Abruf- und Plattformdienste, an der Umsetzbarkeit des Gesetzes. Hier sind praxistauglichere Lösungen gefragt.

Die Jugend ist vernünftiger als wir meinen

Professor Dr. Allan Guggenbühl, Direktor des Instituts für Konfliktmanagement, Leiter der Abteilung für Gruppenpsychotherapie für Kinder und Jugendliche an der kantonalen Erziehungsberatung der Stadt Bern und Professor an der Pädagogischen Hochschule in Zürich, analysierte in seiner Videobotschaft die Auswirkungen der Online- und Videogames auf die Jugend. Gemäss Allan Guggenbühl ist der Inhalt der Online- und Videospiele für Kinder und Jugendliche weniger entscheidend, als das Ausmass des Gamens. Wenn man täglich mehrmals oder sogar pausenlos online sein müsse, so lebe man gewissermassen in einer Blase. Allerdings sei die Jugend viel vernünftiger als die Erwachsenen gemeinhin vermuteten. Die überwiegende Mehrheit sei den Medien nämlich nicht ausgeliefert, sondern könnten sehr verantwortungsbewusst damit umgehen.

Professor Dr. Allan Guggenbühl plädierte an der Tagung für massvolle Regeln, die den Kindern, Jugendlichen und deren Eltern Orientierung geben. Den Eltern und Erziehungsberechtigten wies er dabei eine besonders wichtige Funktion zu, haben diese doch einen besonderen Einfluss auf die Kinder. Guggenbühl sprach sich gegen zu strikte Regeln aus, da diese kontraproduktiv seien. Verbote, so Guggenbühl, liessen sich problemlos umgehen. Bei zu strengen Regeln und Verboten würden die Kinder und Jugendlichen geradezu animiert, die Erwachsenen auszutricksen.

Die Sache mit dem Sack und dem Esel

An der Tagung wiesen Veranstalter von E-Sports-Veranstaltungen und Messen zudem darauf hin, dass der vorliegende Gesetzesentwurf teilweise die falschen Zielgruppen bestrafe und in die Pflicht nehmen. E-Sports-Veranstalter leisteten einen wirksamen Beitrag, damit die Jugendlichen ihr Hobby ernsthaft und mit grosser Eigenverantwortung betreiben. Der Gesetzesentwurf schränke sie dabei zu stark ein. Zudem sei noch nicht klar, wer bei Verfehlungen, die an E-Sports-Veranstaltungen und Messen registriert werden, zu sanktionieren sei: Die Veranstalter? Die Spielproduzenten? Dritte? Hier müsse noch Transparenz geschaffen werden.

Wie weiter?

Die Swiss Interactive Entertainment Association wird sich im eingangs skizzierten Sinn an der Vernehmlassung beteiligen. Sie erwartet, dass das neue Bundesgesetz in der Substanz und den wesentlichen Punkten Bestand hat, in den monierten Bereichen aber noch konkretisiert und verbessert wird.

Quelle: Pressemeldung

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